Lampedusa

Kampagne für die Freilassung von Carola Rackete gestartet

Deutschland und Frankreich kritisieren Italien nach der Festnahme von Carola Rackete, Salvini hält dagegen. Die Kapitänin selbst entschuldigte sich dafür, das Boot der Finanzwache gerammt zu haben. Im Netz wurden mehrere Hunderttausend Euro gesammelt

Kampagne für die Freilassung von Carola Rackete gestartet
ANSA
Nach der Festnahme der deutschen Seawatch-Kapitänin Carola Rackete hat Deutschland Italien aufgerufen, NGOs und Rettungsaktionen im Mittelmeer nicht zu kriminalisieren. "Die Rettung von Menschenleben im Meer ist eine humanitäre Pflicht und darf nicht kriminalisiert werden", sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas.

Auch Frankreichs Innenminister Christophe Castaner kritisierte Italien wegen seiner Politik der "geschlossenen Häfen". Privaten Rettungsschiffen den Zugang zu den italienischen Häfen zu verbieten, sei eine Verletzung des internationalen Seerechts. Castaner kritisierte, dass die italienische Regierung in Sachen Einwanderung Beschlüsse fasse, die nicht mit den EU-Partnern abgesprochen worden seien. Italien beklage sich über fehlende Solidarität der EU-Mitgliedsstaaten und der Europäischen Union, was aber nicht stimme. Frankreich habe zuletzt im Rahmen des Umverteilungsmechanismus 400 in Italien gelandete Migranten aufgenommen, sagte Castaner.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn forderte seinen italienischen Kollegen Enzo Moavero Milanesi auf, sich für die Freilassung Racketes einzusetzen. "Menschenleben zu retten, ist eine Pflicht und sollte niemals ein Delikt oder ein Verbrechen sein", schrieb er in einem über Facebook verbreiteten offenen Brief.



"Menschenleben muss um jeden Preis gerettet werden. Das ist der Polarstern, der uns führt, der Rest ist Nebensache", erklärte auch der vatikanische Staatssekretär, Kardinal Pietro Parolin.

Kampagne für die Freilassung Racketes

Linksparteien, Gewerkschaften und katholische Verbände haben unter dem Slogan "Free Carola" indes eine Kampagne für die Freilassung Racketes gestartet. Die deutschen Fernsehmoderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf haben zu Spenden für die Sea Watch und Rackete aufgerufen. Allein durch ihre Aktion wurden bis heute früh schon Spenden in Höhe von mehr als 140.000 Euro eingegangen. Heufer-Umlauf bedankte sich umgehend für die Spenden: "Wow! Vielen Dank an alle!" schrieb er auf Twitter. Die Aktion soll bis Ende Juli laufen.

Das Rettungsschiff "Sea-Watch 3" hatte in der Nacht auf Samstag nach mehr als zwei Wochen auf offener See mit 40 Migranten unerlaubt im Hafen der italienischen Insel Lampedusa angelegt. Kapitänin Carola Rackete wurde festgenommen, das Schiff beschlagnahmt. Der Kapitänin droht nicht nur eine Geldstrafe, sondern im schlimmsten Fall Haft.

Salvini: "Die Gesetzlose ist verhaftet"

Innenminister Matteo Salvini wirft ihr kriminelles Verhalten vor. Sie habe unter anderem das Leben von Zollpolizisten aufs Spiel gesetzt. "Die Gesetzlose ist verhaftet worden. Piratenschiff beschlagnahmt. Große Strafe für ausländische Nicht-Regierungsorganisation. Flüchtlinge alle auf andere europäische Länder verteilt. Mission erfüllt", twitterte der Innenminister.

Ein Sea-Watch-Sprecher wies die Vorwürfe zurück und erklärte, Rackete habe sich streng an internationales Recht gehalten. Sollte Rackete nicht sofort vor Gericht landen, drohe ihr die sofortige Ausweisung nach Deutschland, sagte Salvini.


EU bestreitet, Italien im Stich gelassen zu haben

EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos bestritt unterdessen, dass Brüssel Italien im Umgang mit der Migrationsproblematik im Stich gelassen habe. "Leider denken einige EU-Mitgliedsstaaten, dass was an der italienischen Küste geschieht, nicht ihr Problem sei. Das ist falsch, denn die italienische Grenze ist die gemeinsame EU-Außengrenze", sagte er im Interview mit der Tageszeitung "La Repubblica“. Er dankte Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Portugal und Finnland, die sich zur Aufnahme der Migranten bereit erklärt hatten.

Rackete entschuldigt sich: "Fehler bei Annäherung"

Rackete hatte entschieden, die "Sea-Watch 3" in den Hafen einlaufen zu lassen, nachdem sie fast drei Tage lang vor Lampedusa auf die Genehmigung zur Landung gehofft hatte. Ein Polizei-Schnellboot versuchte dies zu verhindern, dieses Boot hat die Seawatch gerammt. Die Kapitänin entschuldigte sich für den Vorfall. "Ich wollte niemanden in Gefahr bringen, es war ein Fehler bei der Annäherung zum Hafen", sagte die Deutsche in einem Interview mit dem "Corriere della Sera".

Ihre Entscheidung rechtfertigte sie mit dem Schutz von Migranten. Gleichzeitig entschuldigte sich die 31-Jährige bei der Polizei. Sie habe den Hafen angesteuert, weil sie befürchtete, Migranten an Bord könnten ins Meer springen, sagte Rackete. "Da die Migranten nicht schwimmen können, wäre dies ein Selbstmord gewesen." An Bord sei es bereits zu Selbstverletzungen seitens der Migranten gekommen.

(apa/ep)