Coronavirus

Medizinischer Notstand in der Lombardei

Die Lombardei schlägt Alarm. Die Intensivstationen sind vollkommen überlastet. Erste Patienten können dort nicht mehr behandelt werden.

Medizinischer Notstand in der Lombardei
Respiratory World
In der Lombardei herrscht medizinischer Notstand. Die vielen Corona-Erkrankten können nicht mehr alle behandelt werden - so der Hilferuf der Ärzte. Im Morgengespräch im Radioprogramm von Südtirol schilderte ein Primar aus Bergamo die Lage.
 
Im Krankenhaus von Bergamo geht es zu wie im Krieg, sagen dort viele Ärzte. Das Krankenhaus von Bergamo hat im Verhältnis zur Bevölkerung eine sehr hohe Anzahl der Corona-Infizierten - so wie alle Krankenhäuser in der Lombardei. Der zuständige Primar der Lungen-Abteilung im Krankenhaus von Bergamo, Fabiano di Marco, drückt sich gewählter aus. Er will nicht von Kriegszuständen sprechen, bestätigt aber die Lage:
 
„Im Prinzip ja, in dem Sinn, dass wir innerhalb von zwei Wochen hunderte Patienten im Krankenhaus aufnehmen mussten. Infolgedessen haben wir die Betten für die normale Patientenversorgung zu Betten für die Behandlung von Intensivpatienten umrüsten müssen.“

"Wir brauchen mehr Intensivbetten als wir zur Verfügung haben."

Fabiano di Marco
Die Ärzte in der Lombardei klagen, dass sie mittlerweile schon gezwungen seien, auszuwählen, wen sie noch behandeln und wen nicht mehr. Auch das bestätigt der zuständige Primar Fabiano Di Marco mit vorsichtigen Worten:
 
„Bei diesen Patienten hat eine große Anzahl eine schwere Lungenentzündung, die auf der Intensivstation behandelt werden muss. Und obwohl wir wirklich alles Menschenmögliche versucht haben, nicht nur das Krankenhaus von Bergamo, sondern die gesamte Lombardei, sind die benötigten Plätze mehr als wir zur Verfügung haben.“
 
Es gebe mittlerweile eine Richtlinie dafür, wer im Notfall zuerst zu behandeln sei:
 
„Die italienische Gesellschaft für Intensivmedizin und Anästhesie hat Richtlinien verbreitet, nach welchen Kriterien die zu behandelnden Patienten ausgewählt werden sollen - für den Fall, dass die Zahl der Patienten höher ist als die Anzahl der zur Verfügung stehenden Betten.“
 
Und das sei leider nicht nur im Krankenhaus von Bergamo so, sagt Primar Fabiano Di Marco:
 
„Das ist das, was überall hier in der Gegend passiert, wo die Anzahl der Patienten höher ist als die Behandlungsmöglichkeiten auf der Intensivstation.“

Ärzte und Pflegepersonal jenseits der Belastungsgrenze

Ärzte und Pflegepersonal tun alles Menschenmögliche in dieser Situation bis über die Belastungsgrenzen hinaus - und dennoch sei es immer zu wenig, sagt Primar Di Marco:
 
„Das ist ein ständiges Hinterherlaufen, in dem Moment, als wir die Betten auf der Intensivstation aufgestockt hatten, hatten wir schon wieder zu wenig Plätze, denn die Zahl der Patienten, die wir aufnehmen müssen, ist ständig höher als jene, die das Krankenhaus verlassen - geheilt oder viele eben leider auch tot.“
 

Dass Patienten einfach gar nicht mehr behandelt würden, stellt Primar Fabiano Di Marco aber vehement in Abrede:
 
„Nein, das nicht, absolut nein. Dank einer enormen Organisation können wir hier in Bergamo alle Corona-Patienten mit einer Lungenentzündung mit einer Beatmungsmaske versorgen. Wir haben dafür jetzt schnell viel Personal ausgebildet, bis gestern waren es 1.170 Personen, Ärzte Krankenpfleger, die die Corona-Patienten mit Nahrung, Flüssigkeit und eben mit den Beatmungsmasken versorgen können.“
 
Was das Krankenhaus Bergamo und die Krankenhäuser der Umgebung aber nicht mehr leisten können, das ist die Behandlung auf der Intensivstation, wenn die Beatmung mittels Maske nicht mehr reicht und die Patienten intubiert und künstlich beatmet werden müssen.

„Bei der Behandlung auf der Intensivstation gibt es nunmehr eine engere Auswahl.“

Fabiano di Marco
Eine Auswahl nach Überlebenschance. Wer eine größere Überlebenschance hat, wird zuerst behandelt - eben wie im Krieg, sagen die Ärzte in Bergamo, die diese Vorgehensweise als psychisch extrem belastend für Patienten, Angehörige aber auch für das Pflegepersonal und sich selbst erleben. Dass immer mehr junge Corona-Patienten schwere Komplikationen entwickeln, das hingegen lässt der Primar der Abteilung Pneumologie am Krankenhaus Bergamo nicht ganz so stehen:
 
„Ja, wir haben auch junge Patienten, häufig sind es Patienten, die aus anderen Gründen schon Risikopatienten sind, aber sie sind Gott sei Dank die Ausnahme.“
 
Im Krankenhaus Bergamo wurde vor zweieinhalb Wochen der erste Patient positiv auf eine Corona-Infektion getestet. Was rät Primar Fabiano Di Marco Südtirol:
 
„Kein Gesundheitssystem ist imstande, so eine Gesundheitskrise - wie wir sie jetzt hier in Bergamo erleben - zu bewältigen. Deshalb ist das einzige was man tun kann, Infektionen von Anfang an vermeiden und deshalb sind die soziale Isolation und die Hygienevorschriften einzuhalten das Wichtigste.“
 
Das sagt der Primar der Abteilung Pneumologie am Krankenhaus Bergamo, Fabiano Di Marco. Sein dringender Rat: Hände waschen und Abstand halten. Das ist das Gebot der Stunde, um Situationen wie im Krankenhaus Bergamo zu vermeiden.
Das Interview mit Primar Fabiano Di Marco können Sie bis zum 17.März 2020 hier nachhören.
 
(mm)