Covid-19-Forschung

Dauerhaft geschädigt

Die Innsbrucker Universitätsklinik hat Lungenschäden bei genesenen Covid-Erkrankten festgestellt. Die Schäden sind offenbar bleibend.

Dauerhaft geschädigt
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Dass Covid-19 als schwere Erkrankung ernst zu nehmen ist, ist mittlerweile unbestritten. Wie sich die Spätfolgen allerdings auswirken, wird sich erst Schritt für Schritt zeigen. Besondere Gefahr droht auch genesenen Patienten im Tauchsport. Die massiven Veränderungen an der Lunge können die Unfallgefahr deutlich erhöhen, sagte der Oberarzt der Universitätsklinik Innsbruck, Frank Hartig.

""Das ist schockierend, wir verstehen nicht, was hier gerade passiert."
Frank Hartig, Oberarzt der Universitätsklinik Innsbruck


Er leitet die Notfallaufnahme im Klinikum und ist verantwortlicher Krisenkoordinator für Covid-19-Patienten. In der Klinik haben die Ärzte in den vergangenen Wochen dutzende Coronavirus-Erkrankte behandelt, vom symptomlosen Spreader bis hin zum Intensivpatienten an der Herz-Lungenmaschine. Unter ihnen waren auch sechs aktive Taucher, die aber alle nicht stationär behandelt werden mussten, sondern sich in Heimquarantäne auskurierten. Sie alle waren keine schweren Fälle, ihre Erkrankungen liegen fünf bis sechs Wochen zurück und sie gelten als genesen. Tauchen können sie aber alle nicht mehr. "Die Schäden an der Lunge sind irreversibel", sagte Hartig im Gespräch mit der APA. Und das, obwohl sie bei der Kontrolle nach mehreren Wochen als klinisch gesund galten und lediglich einzelne Symptome wie Reizhusten oder reduzierte Leistungsfähigkeit aufwiesen.

"Das ist schockierend, wir verstehen nicht, was hier gerade passiert. Sie sind wahrscheinlich lebenslang Patienten, da geht es nicht darum, ob sie wieder tauchen oder nicht", sagte der Mediziner. Die Hiobsbotschaft wurde durch Lungen-CTs deutlich. "In der Bildgebung wurden sie überhaupt nicht besser", berichtete Hartig. "Als Notfallmediziner mit 20 Jahren Erfahrung schluckt man, wenn man bei einem 40-jährigen Patienten so etwas sieht."

Bei der Kontrolle nach mehreren Wochen wiesen zwei Patienten bei Belastung eine deutliche Sauerstoffunterversorgung als typisches Zeichen eines persistierenden Lungenshunts auf. Bei zweien waren bei Belastung die Bronchien immer noch sehr erregbar wie bei Asthmatikern. Bei vier von den sechs Tauchern zeigten sich im Kontroll-CT immer noch eindrucksvolle Lungenveränderungen. "Ich habe sogar im Röntgen angerufen, ob sie nicht die Bilder vertauscht haben, weil ein gesunder Patient vor uns saß", berichtete Hartig. "Als sie ihre eigenen Bilder gesehen haben, war das schockierend für sie", sagte der Mediziner. "Sie müssen mit solchen Lungenschäden regelmäßig zur Kontrolle."

Inwieweit Langzeiteffekte an den Lungen bleiben, ist laut dem Arzt unklar und derzeit spekulativ. "Wir wissen nicht, wie viel von den Veränderungen dauerhaft bleiben", betonte der Mediziner. Beim Anblick der Befunde falle es aber schwer, "an eine völlige Ausheilung zu glauben". Er veröffentlichte daher im Tauchsport-Fachmagazin "Wetnote" einen Zwischenbericht, um aktive Taucher zu warnen. "Sie sollen sich nach einer überstandenen Covid-Infektion, auch wenn sie nur leichte Symptome hatten, auf jeden Fall gründlich von einem Taucharzt untersuchen lassen, auch wenn sie noch eine aufrechte Tauchtauglichkeitsuntersuchung haben", sagte Hartig.

Keinesfalls sollen ehemalige Patienten im Sommer ohne Abklärung ihren Sport ausüben. Bereits jetzt gibt es unter Ärzten eine Debatte über künstliche Beatmung. Immer mehr Mediziner beobachten, dass sich der Zustand von Covid-19-Patienten rasch verschlechtert, sobald ihnen Schläuche in die Luftröhre geschoben und sie an ein Beratungsgerät angeschlossen wurden. Krankenhäuser in den USA versuchen deshalb seit einigen Wochen, die Beatmung so lange wie möglich hinauszuzögern. Die ersten Warnungen kamen aus Italien, wo der größte Teil der beatmeten Patienten starb.

"Gibt man ihnen zwei Liter Sauerstoff, wird zwar die Sauerstoffsättigung etwas besser, aber ein paar Stunden später liegen viele von ihnen auf der Intensivstation."
Frank Hartig, Oberarzt der Universitätsklinik Innsbruck


Auch in der Innsbrucker Klinik gebe es solche Beobachtungen. Patienten kommen mit niedriger Sauerstoffsättigung in die Ambulanz, bis auf erhöhte Atemfrequenz geht es ihnen den Umständen entsprechend gut, obwohl sie bei derart schlechten Blutgasen laut Lehrbuch unverzüglich intubiert werden sollten, berichtete Hartig. "Gibt man ihnen dann zwei Liter Sauerstoff, wird zwar die Sauerstoffsättigung etwas besser, aber ein paar Stunden später liegen viele von ihnen auf der Intensivstation mit Intubation und schwerem Lungenversagen", berichtete der Mediziner. Viele Ärzte hätten das Gefühl, dass Sauerstoff irgendwelche Kaskaden auslöst.

"Es ist beunruhigend, was wir auf der Intensivstation erleben und macht und deutlich, wie wenig wir wissen", sagte Hartig. "Da sprechen wir mit Leuten und haben das Gefühl, sie sind über dem Berg, und zwei Stunden später sind diese sterbend", schilderte der Notfallmediziner. Bei Schwerkranken zeige sich eben teilweise, dass Sauerstoff auch kontraproduktiv sein könne. Taucher haben beim Tauchen einen erhöhten Sauerstoff, beispielsweise wenn sie mit Nitrox, einem Gemisch aus Stickstoff mit Sauerstoff, den Sport ausüben. Das könnte zur Gefahr werden, wenn "das Lungengewebe noch empfindlich ist", warnte Hartig. "Für diesen Sommer sind wir auf Expertenmeinungen angewiesen", betonte er, Studien werde es erst nächstes Jahr geben.

(APA/hp)