Natur

Der Messner-Schmetterling

Die neuen Palpenfalter der Gattung Caryocolum sind äußerlich nicht sicher bestimmbar, unterscheiden sich voneinander jedoch genetisch und in mikroskopischen Strukturen.

Der Messner-Schmetterling
Tiroler Landesmuseen/Peter Huemer
Den drei Bergsteigern Reinhold Messner, Peter Habeler und David Lama wird nun eine besondere Ehre zuteil: Ein Tiroler Wissenschaftler hat in den Alpen drei neue Schmetterlingsarten entdeckt und sie nach den Bergsteigern benannt. 

Kleine Sensation

Die Entdeckung neuer, noch namenloser Tierarten ist in den europäischen Alpen immer als kleine Sensation einzustufen. Gleich drei Arten wurden nun bei einem genetischen Forschungsprojekt der Tiroler Landesmuseen entdeckt und von Studienleiter Peter Huemer nach weltbekannten Bergsteigern benannt: Sie heißen Caryocolum messneri, Caryocolum habeleri und Caryocolum lamai.


Wenn neue Tierarten beschrieben werden, gibt ihnen der Erstbeschreiber oder die Erstbeschreiberin einen Namen. „Die drei Nelken-Palpenfalter sind Bergsteigern gewidmet, die nicht nur durch ihre außergewöhnlichen alpinistischen Leistungen bekannt sind, sondern auch einen besonderen Bezug zu Natur- und Artenschutz haben“, so Stuidenautor Peter Huemer, der auch Leiter der Naturwissenschaftlichen Sammlungen der Tiroler Landesmuseen ist. Er widmete sich mittels sogenanntem DNA-Barcoding – einer genetischen Methode zur Bestimmung von Tieren, Pflanzen und Pilzen – der Abgrenzung von vier seit langem bekannten, jedoch umstrittenen europäischen Schmetterlingsarten. Dabei entdeckte er beinahe zufällig die drei weiteren Arten, die in den Alpen vorkommen, aber trotz intensiver Recherche namenlos blieben.

Caryocolum messneri – benannt nach Reinhold Messner

Anders als der eher zufällige Fund war die Benennung nach drei weltbekannten Südtiroler Bergsteigern kein Zufall. Caryocolum messneri (Messners Nelken-Palpenfalter) wird Reinhold Messner gewidmet. Er ist der erste Mensch, der den Mount Everest solo besteigen konnte, aber auch der erste erfolgreiche Bezwinger aller 14 Achttausender. Seit Jahrzehnten begeistert er sein Publikum in Vorträgen und mit Büchern und hat mit dem Messner Mountain Museum an sechs Strandorten auch Museumsgeschichte geschrieben. „Was lag also näher, als einen Alpenschmetterling, der ausgerechnet vor Reinhold Messerns Haustür, dem Schloss Juval in Südtirol, flattert, nach dem Alpinisten zu benennen“, so Huemer. 

Caryocolum habeleri – benannt nach Peter Habeler

Caryocolum habeleri (Habelers Nelken-Palpenfalter) ehrt mit dem Tiroler Peter Habeler einen weiteren außergewöhnlichen Alpinisten. Gemeinsam mit Reinhold Messner war er der erste Mensch, der den Mount Everest ohne zusätzlichen Sauerstoff besteigen konnte, oder die Eiger-Nordwand in 10 Stunden erklomm. Gemeinsam mit dem Studienautor sitzt er im Beirat der Naturschutzstiftung „Blühendes Österreich“. Die Namensgebung hängt aber, als kleine Anekdote, auch mit seinem Cousin Heinz Habeler, dem Meister der Schmetterlingsforschung der Steiermark, zusammen. Dessen Sammlung befindet sich heute ausgerechnet in den Tiroler Landesmuseen.

Caryocolum lamai – benannt nach David Lama

David Lama war dem Studienautor schon vor mehr als 10 Jahren durch sein Engagement für den Naturschutz bekannt. Er sicherte schon damals anlässlich einer aufsehenerregenden Aktion entlang der steilen Bahnböschungen in Innsbruck freiwillige Helferinnen und Helfer – im Interesse gefährdeter Schmetterlinge. Viel spektakulärer waren aber natürlich seine alpinistischen Leistungen, wie die erste Begehung der „Kompressorroute“ an der Südostflanke des Cerro Torre ohne künstliche Hilfsmittel. Die Ehrung erreicht David leider nicht mehr, er verlor am 16. April 2019 im Banff-Nationalpark (Kanada) bei einem tragischen Lawinenunglück viel zu früh sein Leben. Caryocolum lamai (Lamas Nelken-Palpenfalter) soll ihn auch in den Naturwissenschaften „unsterblich“ machen.

Der Nelken-Palpenfalter und viele offene Fragen

Die neuen Arten gehören zu den sogenannten Nelken-Palpenfaltern der Gattung Caryocolum. Arten dieser Gattung leben im Raupenstadium ausschließlich an Nelkengewächsen. Die Biologie der neuen Arten ist zwar noch unbekannt, auf Grund der Fundumstände kommen aber Arten wie die Stein-Nelke als Nahrung in Frage. Alle Arten sind an trockene und stark besonnte Lebensräume gebunden, teilweise bis in Höhenlagen von etwa 2500 m. Sie wurden bisher nur in der Nacht am Kunstlicht beobachtet. Während Messners Nelken-Palpenfalter von Norditalien bis nach Griechenland vorkommt, beschränkt sich das Areal von Habelers Nelken-Palpenfalter auf die Regionen zwischen Südfrankreich, der Schweiz und Südostdeutschland. Caryocolum lamai flattert hingegen in einem kleinen Gebiet in den Westalpen Italiens und Frankreichs.

Die Erforschung alpiner Schmetterlinge ist schon seit Jahrzehnten ein wichtiger wissenschaftlicher Schwerpunkt der Tiroler Landesmuseen. So konnte Peter Huemer in 30 Jahren bereits mehr als 100 bis dahin weltweit unbekannte Schmetterlingsarten entdecken und benennen. Die neuen Arten zeigen einmal mehr die Defizite in der Erforschung der Biodiversität, selbst in Mitteleuropa, auf. Wie wir Arten schützen können, die wir noch nicht einmal namentlich kennen, ist eine der sich daraus ableitenden Kernfragen für die Wissenschaft.

(ka)