Coronakrise

Südtirol hat den schwarzen Peter

Deutschland und Frankreich wollen in der Corona-Krise EU-Kredite für die betroffenen Länder. Österreich stemmt sich dagegen. Ein Kommentar

Südtirol hat den schwarzen Peter
Rai Tagesschau
Deutschland und Frankreich wollen EU-Kredite für die am schwersten von der Corona-Krise betroffenen Länder aufnehmen. Gerade Österreich stellt sich an die Spitze der Länder, die sich dagegen stemmen und mit Protektionismus und nicht mit Solidarität auf den Vorstoß aus Berlin und Paris reagieren. Damit bringt das “Vaterland Österreich”  fast alle Parteien in Südtirol in Bedrängnis. Ein Kommentar von Kommentar von Chefredakteurin Heidy Kessler:

"Die Entscheidung für EU-Kredite müsste einstimmig fallen, um so schwerer wiegt das Veto des österreichischen Kanzlers. Kurz ist bisher immer als knallharter Vertreter nationaler Interessen aufgefallen, innerhalb des konservativen Lagers positionierte er sich stets erfolgreich als Gegenspieler der europäisch denkenden deutschen Kanzlerin Merkel. Seine Haltung verwundert also nicht wirklich. 
Dass Kurz Italien kein österreichisches Geld anvertrauen will, mag in Südtirol noch auf Verständnis stoßen. Schwerer wiegt sein Veto gegen die Öffnung des Brenners. Es entsteht zwangsläufig der Eindruck, dass Kurz den Tourismus Südtirols bewusst schadet, um den eigenen zu unterstützen. Für Südtirol ist das kaum verdaulich.
Und dass sich Österreich gegen die Öffnung der Grenze am Brenner sperrt, deren Fall Südtirol und Nordtirol als kleine Wiedervereinigung gefeiert haben, mag zusätzlich befremden.
In Verlegenheit bringt die Haltung von Kurz in erster Linie natürlich die SVP und deren Obmann Philipp Achammer, der als persönlicher Freund von Sebastian Kurz gilt. Was ist diese Freundschaft wert, diese Frage muss sich Achammer wohl stellen. Und was bringt die Schutzmacht in dieser gelinde gesagt schwierigen Situation? Was ist sie wert?
Ebenso in Verlegenheit bringt die österreichische Regierung die Südtiroler Grünen, die sich die Werte Solidarität und Europa auf die Fahnen geschrieben haben.
In Österreich und in Tirol sind deren Parteifreunde an der Regierung. 
Beide Werte geben sie für ein bisschen mitregieren auf.  Das Argument, die Blauen verhindern zu müssen und wollen, zieht wenig, wenn sich die türkis-grüne Regierung kaum von der Türkis-blauen unterscheidet. Es regiert sowieso Kurz und sonst niemand.
Etwas peinlich ist die Haltung des Vaterlandes auch für die Südtiroler Freiheit. Dass Österreich den Brenner - nach der Flüchtlingskrise - jetzt zum zweiten Male schließt, wird keine Welle der Sympathie für Österreich in Südtirol auslösen. Das Argument, dass wir uns eben auf der falschen Seite der Grenze befinden, mag die Anhänger der Südtiroler Freiheit überzeugen. Imagepunkte für Österreich bringt es aber nicht.
Es gibt in Südtirol also in dieser Frage nur Verlierer. Der große Verlierer aber heißt Europa, und das wiegt noch deutlich schwerer."
 

Heidy Kessler
Chefredakteurin von Rai Südtirol