Brüssel

EU-Gipfel wird zum Machtpoker

Österreich, Schweden, die Niederlande und Dänemark fordern ein geringeres Volumen für den Aufbaufonds. Eine Kampfansage an Merkel und Macron.

EU-Gipfel wird zum Machtpoker
ANSA
Machtpoker beim EU-Gipfel in Brüssel: Österreich, Schweden, die Niederlande und Dänemark fordern ein geringeres Volumen für den Aufbaufonds und riskieren damit einen Abbruch des Gipfels. Laut Diplomaten wollen die Länder, die sich selbst gern als "sparsame Vier" bezeichnen, die für andere aber auch "die geizigen Vier" sind, den Fonds auf 700 Milliarden Euro begrenzen. Bisher waren 750 Milliarden im Gespräch. Gleichzeitig sollte die Höhe der Zuschüsse von 450 auf 350 Milliarden Euro sinken. Den vier Ländern angeschlossen hat sich mittlerweile auch Finnland. 

Nach Angaben von Diplomaten haben die "Frugalen" dies am Sonntag als "letztes Angebot" dem EU-Ratspräsidenten Charles Michel zur Kenntnis gebracht. Außerdem bestünden diese Nettozahler weiterhin auf den ihnen in Aussicht gestellten Budgetrabatten.

Kampfansage an Merkel und Macron

Beobachter sehen darin eine Kampfansage, nicht nur an die südlichen Nachbarstaaten, die ihre Hoffnungen auf einen möglichst großen Aufbaufonds und mehr Zuschüsse als Kredite setzen, sondern auch an Deutschland und Frankreich. In der Nacht auf Sonntag hatten die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron ausgeschlossen, dass der Anteil der Zuschüsse, für die ursprünglich 500 Milliarden Euro vorgesehen waren, auf unter 400 Milliarden sinken könnte. Merkel und Macron hätten den Saal verlassen. "Sie sind gereizt gegangen", sagte Rutte nach niederländischen Medienberichten.

Der Rest wären Kredite, die von den Empfängerländern zurückbezahlt werden müssten. Insgesamt geht es bei dem Gipfel um ein 1,8 Billionen schweres Paket gegen die Corona-Wirtschaftskrise. Es besteht aus dem siebenjährigen EU-Budget von 2021 bis 2027, das nach dem aktuellen Entwurf 1.074 Milliarden Euro ausmachen würde. Dazu kommt der 750 Milliarden Euro schwere Aufbaufonds hinzu, der die am stärksten von der Coronakrise getroffenen Länder unterstützen soll. Nach Berechnungen der Kommission sollen Italien, Spanien und Polen die größten Beträge aus dem schuldenfinanzierten Aufbaufonds "Next Generation EU" erhalten.

Rechtsstaatlichkeit als Kriterium 

Ein weiterer Konfliktpunkt des Gipfels ist das Kriterium der Rechtsstaatlichkeit. Hier fordere die Gruppe der "Frugalen" und Finnland, dass es "keine faulen Kompromisse" geben dürfe, sondern klare Regeln und eine Schwelle, die nicht unterschritten werden dürfe. Damit stellten sich die Länder klar gegen die Vetodrohung des ungarischen Premier Viktor Orban, der für Rechtsstaatsfragen Einstimmigkeit forderte, was den Mechanismus wirkungslos machen würde. Orban attackierte am Sonntag den niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte. "Der Holländer ist der wirklich verantwortliche Mann für das ganze Durcheinander, das wir haben", sagte Orban.

Der Gipfel verzögerte sich unterdessen weiter. Nach Angaben von Diplomaten sollte der Gipfel in großer Runde erst um 19 Uhr zum Abendessen zusammenkommen, doch wurde auch dieser Termin nicht eingehalten. Bis zum Abend führte Michel eine Reihe von Gesprächen mit unterschiedlichen Ländergruppen. Sollte der Gipfel nicht abgebrochen werden, könnte nach Ansicht von Diplomaten bis Montagfrüh durchverhandelt werden. Zahlreiche Details seien noch nicht besprochen worden, hieß es.

(apa/ep)