Olympia-Tagebuch

4. August: Freiheit ist das einzige was zählt

Markus Kaserer berichtet täglich von seinen Erlebnissen bei den Sommerspielen in Tokio. Heute geht es um die persönliche Freiheit in Zeiten der Pandemie.

4. August: Freiheit ist das einzige was zählt
Rai Tagesschau
Ocha heißt die App der japanischen Regierung. Ich musste sie noch zu Hause auf meinem japanischen Mobiltelefon installieren. Die negativen Ergebnisse meiner PCR-Tests mussten noch vor der Areise drauf. Bestätigt auf einem Vordruck der japanischen Behörden vom Zentrallabor für Mikrobiologie in Bozen. Über eine weitere App, ähnlich der Immuni-App in Italien (nur dass diese hier funktioniert), werde ich mittels GPS überwacht. Halte ich mich nicht an die  Bestimmungen, droht der Entzug der Akkreditierung. In Tokio ist das bereits vorgekommen.

Seit meiner Ankunft fülle ich auf Ocha täglich den Fragebogen zu meinem Wohlbefinden aus. Ich werde nur gefragt, ob ich oder jemand in meinem Umfeld  Husten, Fieber oder sonst ein Wehwehchen hat, das auf eine Corona-Infektion hindeuten könnte. Zu meinem psychischen Wohlbefinden werde ich nicht befragt. An einigen Tagen war das auch besser so. Eine 14-tägige Quarantäne - auch wenn es nur eine Soft-Quarantäne ist - kann belastender sein, als ich mir das vorgestellt hatte. Am 14. Tag sehe ich auf Ocha unter „Determination of health condition“ nach. Und da steht plötzlich „Cleared“. Keine Warnung mehr. Meine Quarantäne ist einen Tag früher zu Ende als gedacht.

Ich denke sofort an das Lied von Marius Müller-Westernhagen. Freiheit, Freiheit ist das einzige was zählt. Ich merke tatsächlich ein Kribbeln in mir, fast so, als hätte ich Schmetterlinge im Bauch. Nervös bin ich auch. Eine simple Mitteilung auf Ocha zeigt bei mir große Wirkung. Keine lästige Ausgangskontrolle mehr, Frühstück im Hotel-Restaurant statt auf dem Zimmer - ich freue mich über die banalsten Dinge. Komisch, aber ehrlich. 

Doch werde ich von der größten Stadt der Welt auch wirklich was zu sehen bekommen? Die Shibuya-Kreuzung, die während einer einzigen Grünphase von 2.500 Menschen gequert wird , den Tokyo Skytree, das mit 634 Metern zweithöchste Gebäude der Welt oder all die Tempel und Schreine. 

2016 während meiner knapp vier Wochen in Rio hatte ich mein Hotel direkt an der weltberühmten Copacabana. Im Wasser war ich dennoch nicht. Diesmal bekomme ich unerwartete Schützenhilfe von Simone Giannelli. Darauf hätte ich zwar gerne verzichtet, denn Italiens Volleyballer sind überraschend im Viertelfinale ausgeschieden. Da bleibt gegen Ende der Spiele etwas mehr Frei-Zeit.  Das Wichtigste aber ist die Frei-Heit. Sayonara aus Tokio. 

(mk)