Parlamentswahlen

Pallaver zu Italien: "Mitte-rechts will EU blockieren“

Der Politikwissenschaftler Günther Pallaver sieht mit einer Mitte-rechts-Regierung Italiens die Russland-Politik der EU in Gefahr.

Pallaver zu Italien: "Mitte-rechts will EU blockieren“
Rai Tagesschau
Eine Regierung von Mitte-rechts in Italien nach den Parlamentswahlen im September könnte erhebliche Auswirkungen auf die Russland-Politik der EU haben. Das sagt der Politikwissenschaftler Günther Pallaver in einem Interview mit der österreichischen Nachrichtenagentur Apa: "Eine solche Regierung würde wie Orban Etliches unternehmen, um EU-Entscheidungen zu blockieren." Der Südtiroler Universitätsprofessor verweist auf die pro-russische Tendenzen mancher Politiker von Mitte-rechts und erwartet, dass die Europa-Einstellungen der Parteien zur Bruchlinie in diesem Wahlkampf werden.
 
Besonders die beiden Parteien, Fratelli d'Italia (FdI), die derzeit die Umfragen anführt, und die Lega Nord von Ex-Innenminister Matteo Salvini, sind laut Pallaver EU-skeptisch bis EU-ablehnend eingestellt. Ihr Motto "Italien zuerst" und nicht "Europa zuerst" bedeute, so Pallaver, „im Mittelpunkt steht der Nationalstaat, nicht die EU.“ Das kann laut dem Politikwissenschaftler dazu führen, „dass sie einen Rückbau des supranationalen Europas anstreben und kein Interesse an einem weiteren Integrationsprozess haben."
 
Dies könne aufgrund des EU-Einstimmigkeitsprinzips im Rat zu Schwierigkeiten bei Entscheidungsfindungen führen - ähnlich wie es bereits seit längerem mit Ungarn unter Ministerpräsident Viktor Orban der Fall sei.

Freunde von Putin

Dazu kommt, dass einige italienische Politiker von Mitte-Rechts Sympathien für Putin haben, wie Pallaver sagt: "Salvini ist 2017 nach Moskau gereist und hat sich nach der Besetzung der Krim gegen Russland-Sanktionen ausgesprochen." Dasselbe gelte auch für Exponenten der FdI. Und auch der Chef von Forza Italia, Silvio Berlusconi, gilt als enger Freund Putins.
Eine Regierung mit diesen Parteien würde vermutlich die EU-Sanktionen unterwandern und weiterhin Gas aus Russland beziehen wollen, auch um die Preise niedrig zu halten, so Pallaver: "Man würde weniger Opfer bringen, um der Ukraine beizustehen."
Sanktionen gegen Russland und Waffenlieferungen würden diese Parteien demnach ebenfalls in Frage stellen und nicht mehr so dezidiert mittragen wie die Noch-Regierung unter Mario Draghi. Die Vorsitzende der FdI, Giorgia Meloni, sprach sich am Freitag jedoch für weitere Waffenlieferungen in die Ukraine aus.
 
Um Gelder aus dem Europäischen Aufbauplan zu erhalten, muss Italien eine Reihe von Verpflichtungen zur Durchführung von strukturellen Reformen eingehen, etwa in den Bereichen Justiz, Wettbewerb und Steuern. Auch diese könnten von einer Mitte-rechts-Regierung in Frage gestellt werden, glaubt Pallaver: "Denken wir daran, dass die Lega Nord die soeben verabschiedete Teil-Justizreform sabotieren wollte, obwohl sie in der Regierung war." Auch hier wären also einige Konflikte zwischen Italien und der EU vorprogrammiert.

Nur teilweise Umschichtung von Wählern

Obwohl Fratelli d‘Italia bei den Parlamentswahlen von rund vier Prozent 2018 aktuell in Umfragen auf 22 Prozent zugelegt hat, wird es nach Einschätzung Pallavers in Italien nur teilweise zu einer "Umschichtung" der Wählerschaft kommen. Einige Wähler der Lega, aber auch Wähler aus dem rechten Flügel der zwiegespaltenen Fünf-Sterne-Bewegung, würden zu FdI abwandern.
Jener Teil der Bevölkerung, der großen Sympathien für Draghi hat, würde wohl tendenziell Parteien wählen, die Draghis Regierung loyal unterstützt haben. Zu diesen Parteien zählen die Demokratische Partei und andere, kleinere Parteien aus der aktuellen Regierungskoalition mit Draghi. Dass Draghi selbst bei der kommenden Wahl kandidiert, wie seit Tagen spekuliert wird, schließt Pallaver aus: "Draghi hat immer betont, ein Mann der Institutionen zu sein, nicht der Parteien."
 
Ob andere Parteien es schaffen, Draghi-Sympathisanten zu überzeugen, bleibt fraglich. Laut Pallaver besteht die Gefahr, dass die Wahlbeteiligung unter den rund 73 Prozent der Wahl 2018 liegt, weil viele den "innenpolitischen Zirkus der Parteien" satt hätten. Der Rückgang der Wahlbeteiligung käme tendenziell der Mitte-rechts-Wahlkoalition zu Gute.
 
tat apa