Parlamentswahlen 2022

Der Kommentar: "Kollateralnutzen"

Italien wird nationalistischer, zentralistischer. Für die SVP gibt es einen "Kollateralnutzen". Ein Kommentar von Chefredakteurin Heidy Kessler.

Der Kommentar: "Kollateralnutzen"
Rai Südtirol
Nationalistischer, zentralistischer und wohl auch egoistischer wird das neue, rechte Italien werden. Für Südtirol stellen diese Wahlen deshalb ganz sicher einen Wendepunkt dar. Südtirol hat es künftig mit einer Autonomie-skeptischen bis Autonomie-feindlichen Regierung zu tun.

Die bisherigen Ansprechpartner der SVP - die Lega - ist extrem geschwächt. Silvio Berlusconi, auch ein möglicher Ansprechpartner, ist nicht viel mehr als eine Lachnummer. Bleiben nur die Fratelli d'Italia selbst. Sollte Giorgia Meloni als Ministerpräsidentin zu realpolitischem Pragmatismus finden, so bleibt doch ihr Personal. Der stramme Nationalist Alessandro Urzì zum Beispiel bietet sich als Autonomie-politischer Einflüsterer an.

Giorgia Meloni selbst hat mehrfach klar gemacht, dass sie einen Umbau der Autonomie in Richtung einer Territorial-Autonomie anstrebt. Eine Autonomie also nicht zum Schutze der Minderheiten, sondern bestenfalls zur Aufwertung einer Region wie im Falle Siziliens. Setzt Meloni ihren Plan um, wäre dies eine bedenkliche Aushöhlung des Minderheitenschutzes. 

In dieser Situation hat die SVP als einzige Vertreterin der Südtiroler Sprachminderheiten in Rom mehrere Trümpfe in der Hand. Der wichtigste ist die internationale Absicherung. Außerdem hat die neue Regierung sicher andere Probleme als Südtirol. Für die SVP kommt noch ein wichtiger "Kollateralnutzen" dazu. Ein klares Feindbild in Rom stärkt die Partei in Südtirol. Mit Verweis auf die Machtverhältnisse in Rom kann die SVP mit mehr Nachdruck zum zusammenhalten aufrufen und das heißt in Ihrer Logik eben, SVP wählen.

Sollte die neue Regierung in Bedrängnis kommen, könnte es aber trotzdem ungemütlich werden für die Sprachminderheiten in Südtirol.

Es ist ein alter Reflex von Regierungen, im speziellen auch von populistischen Regierungen, einen Sündenbock zu suchen, wenn sie in Bedrängnis sind.  

Es wäre nicht schwierig, die eh schon vorhandenen Ressentiments gegenüber Südtirol zu schüren und eine feindselige Stimmung aufzubauen. 

Die Gefahr, die von Postfaschisten an der Regierung ausgeht, ist derzeit wohl nicht akut, aber schleichend.
 
Heidy Kessler