Tag der Depression

Fünf Prozent der Erwachsenen leiden unter Depressionen

In Südtirol leiden rund 20.000 Menschen an Depressionen - doppelt so viel Frauen wie Männer.

Fünf Prozent der Erwachsenen leiden unter Depressionen
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In den Städten sind Depressionen noch häufiger: 10 Prozent ihrer Bewohner leiden daran. „Allein schon dieser Umstand beweist, dass Depressionen auch mit der Leistungsgesellschaft zusammenhängen“, erklärt der Primar der Psychiatrie Brixen, Roger Pycha. Darüber hinaus spielen erbliche Einflüsse und frühkindliche Erfahrungen bei ihrer Entstehung eine große Rolle.

Volkskrankheit

Die Depression ist laut WHO die Volkskrankheit, die der Menschheit am meisten gesunde Lebensjahre raubt. Sie verschlingt in hoch entwickelten Ländern 1 Prozent des Bruttosozialproduktes. Laut Schätzungen der Weltbank und der WHO ist sie 2022 nach dem Überstehen der Coronakrise für Frauen die weltweit bedeutendste aller Erkrankungen, für Männer die zweitbedrohlichste nach Herzinfarkt und Hirnschlag.

Prominenz schützt nicht vor Depression.

Wolfgang Amadeus Mozart, Abraham Lincoln, Winston Churchill und Prinzessin Diana litten daran. Ernest Hemingway, Adalbert Stifter, Marilyn Monroe, Heinrich von Kleist und Robin Williams verstarben daran. Tom Waits, Jean Claude van Damme und Sting können ein Lied davon singen. Und Cara Delevigne erklärte vor Jahren: “Ich war suizidal. Ich wollte, dass alle Moleküle meines Körpers sich auflösten.“

55 Prozent aller Suizidopfer in Südtirol waren depressiv

Ein Drittel aller depressiv Erkrankten sucht keine Hilfe. Nur die Hälfte aller depressiven Patienten wird von Ärzten als solche erkannt und richtig behandelt. 40 bis 70 Prozent aller Selbsttötungen sind laut internationalen Schätzungen auf die Erkrankung Depression zurückzuführen. In Südtirol sind laut einer Zehnjahresstudie 55 Prozent aller Suizidopfer depressiv gewesen. Wären alle Betroffenen korrekt diagnostiziert und rasch behandelt worden, hätte man die Suizidrate Südtirols wohl halbieren können.
 

Aufklärung wichtig

Bei diesen Sachverhalten ist Handlungsbedarf gegeben: Aufklärung der Bevölkerung, Schulung der Fachleute, Stärkung der Selbsthilfe.

„Depression ist eine häufige, ernst zu nehmende Erkrankung, die heute sehr gut behandelt werden kann.“

Roger Pycha, Primar psychiatrischer Dienst Brixen

Die wichtigsten Kennzeichen

Die drei wichtigsten Kennzeichen der Depression sind:
- dauerhaft gedrückte Stimmung
- der Verlust von Freuden und Interessen
- Mangel an seelischer Energie.

Betroffene haben manchmal nicht mehr die Kraft, Entscheidungen zu treffen, sich Hilfe zu holen oder zu klagen. Viele beschreiben sich als so leer, dass sie nicht einmal mehr weinen können. Andere sind innerlich unruhig, verspannt und voller körperlicher Symptome. Kopf- oder Rückenschmerzen, Druck auf der Brust, unerträgliches Kribbeln im Bauch, Schwindel und Schwäche bei allen Bewegungen sind die häufigsten körperlichen Merkmale einer Depression. Aber auch Mundtrockenheit, Sehstörungen und Haarausfall können auftreten.   

Aufklärung in den Krankenhäusern

An den vier großen Krankenhäusern Südtirols ist am heutigen „Tag der Depression“ ein Informationsstand eingerichtet worden. Den ganzen Tag über werden im Eingangsbereich die Broschüren „Depression - was tun?“ zum Mitnehmen aufliegen. Sie bieten einen verständlichen Überblick über die wichtigste psychische Krankheit des 21. Jahrhunderts. Zusätzlich liegen so genannte „Notfallkärtchen“ auf, die telefonische Anlaufstellen für Menschen in Krise enthalten: Auf einer Seite die wichtigen Nummern für Erwachsene, auf der anderen Seite jene für Jugendliche.

Anlaufstellen

Als beste Anlaufstellen für depressiv Erkrankte gelten Hausärzte, Zentren Psychischer Gesundheit und Psychologische Dienste, aber auch privat praktizierende Psychiater, Psychotherapeuten und Lebensberater. In Notfällen, die mit schwerer Erkrankung oder Suizidgefahr verknüpft sind, soll man sich an die Notfallnummer 112 oder an die Ersten Hilfen der Krankenhäuser von Bozen, Meran, Brixen und Bruneck wenden. Dort besteht rund um die Uhr ein psychiatrischer Bereitschaftsdienst.

Ein Netzwerk der Beratung im Vorfeld besteht auch. Die „Telefonseelsorge“ der Caritas 0471 052052, „telefono amico“ 02 23272327 und „Young and direct“ 0471 1551551 stellen wertvolle Anlaufstellen und Gesprächspartner in seelischen Krisen dar. Selbsthilfegruppen für Betroffene werden von der Vereinigung „Lichtung/Girasole“, Tel. 0474 530266, im ganzen Land angeboten. Angehörigengruppen können beim Verein „Ariadne“, Tel 0471 260303, kontaktiert werden.
 
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Psychiater Roger Pycha: im Netzwerk gegen den Suizid Rai Tagesschau
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