Gesundheit

Robert-Koch-Institut: Grenzwerte bei Luftschadstoffen dringend verschärfen

Das führende deutsche Institut für Gesundheitsschutz empfiehlt strengere Grenzwerte „für ganz Europa“. Die Folgen für die Brenner-Route.

Robert-Koch-Institut: Grenzwerte bei Luftschadstoffen dringend verschärfen
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Die Kommission für Umwelt und Öffentliche Gesundheit (Environmental and Public Health) des Robert-Koch-Instituts Berlin und das deutsche Umweltbundesamt sprechen sich in einer detaillierten Stellungnahme für eine deutliche Verschärfung bei Grenzwerten für Luftschadstoffe aus. Die Fachleute empfehlen, dass sich politisch Verantwortliche an den neuen Richtwerten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientieren sollen. Diese basieren nämlich auf „eindeutigen Ergebnissen“ von „großangelegten Studien in Europa und Nordamerika“. Daher sei selbst die jüngste von der EU-Kommission vorgeschlagene „deutliche Verschärfung“ von Schadstoffgrenzwerten „immer noch unzureichend für einen effektiven Gesundheitsschutz“, heißt es.

Folgenreich für die Brenner-Route

Die Empfehlungen der führenden deutschen Fachleute sind folgenreich, etwa auch für die Brenner-Route. Denn konkret geht es im Expertenpapier wie auch im etwas weniger weitreichenden Vorschlag der EU-Kommission um drei Schadstoffe: Feinstäube, Ozon und um Stickstoffdioxid (NO₂). Der bisherige EU-Grenzwert von NO₂ (40 Mikrogramm/μm) ist die maßgebliche Grundlage für die meisten Maßnahmen gegen den Lkw-Transit und auch für Tempo 100 im Tiroler Inntal.

„Luftschadstoffe erhöhen die Krankheitslast und das Mortalitätsrisiko.“

Robert-Koch-Institut

Luftschadstoffe, so die Fachleute des Robert-Koch-Instituts, „erhöhen die Krankheitslast von Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Demenz bei Erwachsenen und führen auch bei Kindern zu Atemwegserkrankungen und Einschränkungen der gesundheitlichen Entwicklung.“ Oberhalb der WHO-Richtwerte steige das Mortalitätsrisiko, wie Langzeitstudien zeigen, heißt es. Auch Fachgesellschaften im Bereich der Lungenerkrankungen und der Umweltepidemiologie würden daher eine „rasche Umsetzung der WHO-Richtwerte“ in die EU-Luftqualitätsrichtline empfehlen.

Koch-Institut und Umweltbundesamt empfehlen ihrerseits u.a., dass verschärfte Grenzwerte „an allen Orten in Europa“ Geltung haben sollen und das „etablierte“ Netz an Messtationen auszubauen, „um die Luftqualität an besonders belasteten Orten im urbanen wie ländlichen Umfeld zu erfassen.“ 

WHO-Richtwert ist strenger als der bereits verschärfte Vorschlag der EU

Die EU-Kommission sieht in ihrem Vorschlag bereits erheblich strengere Grenzwerte vor: So sollte der Jahresmittelwert beim Feinstaub PM10 von bisher 40 µg auf die Hälfte, auf 20 µg gesenkt werden. Auch bei dem für die Verkehrsbelastung relevanten Schadstoff NO₂ wird eine Halbierung des Jahresgrenzwertes von 40 µg auf 20 µg vorgeschlagen. Die WHO empfiehlt allerdings bei NO₂ wie bei PM10 einen strengeren Grenzwert von 15 µg. Die Vorschläge der EU-Kommission bedeuten zwar „eine deutliche Verbesserung“ schreibt das Koch-Institut, „sind aber im Lichte des heutigen Wissensstands nicht in der Lage, die Gesundheit der Bevölkerung und des einzelnen wirksam zu schützen“.

„Bessere Luft hat positive Wirkung auf Gesundheit und die Eindämmung des Klimawandels.“

Robert-Koch-Institut

Koch-Institut und Umweltbundesamt leiten aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen auch (gesellschafts-)politische Handlungen ab. Für die Einhaltung strengerer Grenzwerte seien gesellschaftliche und politische Veränderungen erforderlich, „vor allem in Bezug auf Mobilität, Energienutzung und Energieerzeugung, Stadt- und Raumplanung sowie die Industrie, speziell auch die Agrarindustrie“, so die Fachleute: „In allen Sektoren ist ein europaweites Umdenken notwendig“. Eine Verbesserung der Luftqualität habe neben den direkten positiven Auswirkungen auf die Gesundheit „auch wichtige indirekte positive Wirkungen im Hinblick auf die Eindämmung des Klimawandels und seiner gesundheitlichen Folgen“, steht in der Stellungahme.

Gurgiser fordert die grüne Klimaministerin Gewessler zum Handeln auf

Der Obmann des Transitforums Austria-Tirol Fritz Gurgiser sieht in dieser wissenschaftlichen Stellungnahme und den neuen WHO-Richtwerten eigene politische Forderungen bestätigt. Gurgiser drängt die österreichische Regierung, namentlich Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne), eine Novelle des Luftgütegesetzes (Immissionsschutzgesetz Luft, IG-L) auf Basis der WHO-Richtwerte oder des EU-Vorschlags vorzulegen. Dem aktuellen Luftgütebericht des Landes Tirol ist zu entnehmen, dass der Jahres-Grenzwert für NO₂ (des Jahres 2022) auf Basis des EU-Vorschlags bei 9 von 14 Tiroler Messtellen überschritten würde, auf Basis des WHO-Richtwerts wäre die Luftbelastung gar bei allen 14 Messstellen in Tirol zu hoch.