Regierungsbildung

„Überspitzt, wenn man so tut, als stünde totalitäres Regime vor der Tür“

Man werde an der „Wertehaltung uneingeschränkt festhalten“ und bitte, „mit allzu drastischen Urteilen abzuwarten.“ Das antwortet Arno Kompatscher auf die Kritik der Kunst- und Kulturschaffenden.

„Überspitzt, wenn man so tut, als stünde totalitäres Regime vor der Tür“
Land Südtirol
Landeshauptmann Arno Kompatscher antwortet auf die Kritik der Kunst- und Kulturschaffenden.

Die Absicht, der Südtiroler Volkspartei, mit Lega und Fratelli d'Italia eine Landesregierung zu bilden, stehe im Widerspruch zu einer offenen, solidarischen und zukunftsfähigen Gesellschaft. So die Kritik von mittlerweile mehr als 350 Südtiroler Kunst- und Kulturschaffende in einem offenen Brief an Arno Kompatscher vor eineinhalb Wochen. Nun folgt die dreiseitige offene Antwort des Landeshauptmannes.

„Wir stehen vor einer gesamtgesellschaftlichen Herausforderung. Diese Überzeugung teile ich mit Ihnen ohne Wenn und Aber“, so Kompatscher eingangs. Er bekräftige deshalb, dass die Landesregierung unter seiner Führung „das Ziel einer zukunftsfähigen, diversen und vertrauensvollen Gesellschaft anstreben“ werde. 

Den gesamtstaatlichen Kontext betrachtend sei es für ihn „nicht nachvollziehbar, wieso man Südtirol zum Türöffner für Parteien hochstilisiert, welche bereits die Regierungsgeschäfte der Republik leiten“, schreibt Kompatscher. 

„Schmaler Pfad des Kompromisses“

Die Absicherung und der Ausbau der Südtirol-Autonomie sei ein sehr hohes Gut. „Es mag paradox sein, aber der Moment scheint günstig, um dieses wichtige Ziel zu erreichen. Leider bedeutet das einen schwierigen wie schmalen Pfad des Kompromisses zu gehen“, so der Landeshauptmann. „An unserer Wertehaltung – und das will ich klar unterstreichen – werden wir auf diesem Weg uneingeschränkt festhalten.“

Er erachte den Protest und das gesellschaftliche Engagement der Kulturschaffenden als wertvoll. „Meine Verantwortung nehme ich ernst und versuche die Dinge im Rahmen der Möglichkeiten bestmöglich zu gestalten.“

Die Antwort des Landeshauptmanns ist drei Seiten lang. Rai Tagesschau
Die Antwort des Landeshauptmanns ist drei Seiten lang.

„Es geht nicht um den Verkauf von Seelen“

Allerdings halte er es persönlich „für überspitzt, wenn man so tut, als stünde in Südtirol ein totalitäres Regime vor der Tür“, schreibt der Landeshauptmann. „Es geht nicht um den Verkauf von Seelen oder einen Pakt mit dem Teufel. Es geht um die Frage, ob man einen Weg des Konsenses findet, um die Entwicklung Südtirols und seiner Autonomie positiv voranzubringen.“

Er erlaube sich dementsprechende die Bitte, „mit allzu drastischen Urteilen abzuwarten, zumindest bis das Regierungsprogramm ausverhandelt ist, sofern es überhaupt gelingt, eine Regierung zu bilden.“ 

Hier können Sie Kompatschers Antwort auf den Brief der Kunst- und Kulturschaffenden nachlesen:

Kompatschers Antwortschreiben auf den offenen Künstler:innenbrief Download (File - 180 KB)

Das sagen die Kulturschaffenden

„Wir bedanken uns bei LH Arno Kompatscher für die offene Antwort auf unseren Brief und nehmen insbesondere seine Zusicherung zur Kenntnis, seine ‘Verantwortung jedenfalls ernst zu nehmen’ und die ‘Dinge im Rahmen der Möglichkeiten bestmöglich zu gestalten’. Aller Möglichkeiten, die es noch gibt", schreibt Schauspieler Peter Schorn im Namen der Südtiroler Kunst- und Kulturschaffenden. 

Man begrüße zudem die Botschaft, den „Protest und das gesellschaftliche Engagement als wertvoll“ zu erachten. 

Es ist auch unsere Sicht, dass dieser Diskurs ein wichtiger Ausdruck einer gesunden und lebendigen Demokratie ist. Von der Absichtserklärung aktueller Verhandlungspartner der SVP, diesen gesellschaftspolitischen Diskurs mit Klageandrohungen einschränken zu wollen, sehen wir unsere Befürchtungen einer antipluralistischen und autoritären Tendenz dieser Parteien gleichzeitig aber bestätigt und das lange Schweigen der SVP zu diesen Drohungen hinterlässt weiterhin große Fragezeichen in der Kulturwelt und in der Zivilgesellschaft”, so Schorn.