Zeller: "Wenn es sein muss, machen wir auch einen Pakt mit dem Teufel"

SVP-Urgestein und LH-Vertrauensmann Karl Zeller verteidigt die angestrebte Koalition mit Rechts - obwohl er als Mitte-links ausgerichtet gilt. Er sagt: Sollte es nicht klappen, kann man es immer noch lassen.

Zeller: "Wenn es sein muss, machen wir auch einen Pakt mit dem Teufel"
Rai Tagesschau
Karl Zeller: "Wir sind nicht ideologisch gebunden"

Herr Zeller, die Entscheidung zu Koalitionsgesprächen mit Rechts vom Samstag spaltet die SVP. Wie bewerten Sie das Ergebnis der Abstimmung im Parteiausschuss?
Karl Zeller, langjähriger Parlamentarier der SVP und langjähriger Obmann-Stellvertreter: Ich kann die Entscheidung verstehen - und das obwohl ich in meiner 30-jährigen Laufbahn immer nur mit Mitte-links-Kräften Abkommen geschlossen habe. Aber: Unser Maßstab war immer die Autonomie. Seitdem die Regierung Meloni an der Macht ist, hat sie schon einiges an Öffnungen erkennen lassen, was Durchführungsbestimmungen anbelangt, aber auch, wenn es um die Wiederherstellung der autonomen Kompetenzen geht. So jemandem die Tür vor der Nase zuzuschlagen, wäre einfach falsch gewesen. Wenn es nicht klappt, kann man die Koalition auch immer wieder aufkündigen, nichts ist ewig. Mir gefällt das mit den Fratelli d'Italia auch nicht so, es waren immer meine Gegner, aber wir sollten ihnen, so denke ich, eine Chance geben. Wir sind nicht ideologisch gebunden und ich denke, der Landeshauptmann wird schon eine Vereinbarung treffen, wo die Grundwerte der SVP hochgehalten werden und Fratelli d'Italia in die Pflicht genommen wird. Und wenn sie das nicht unterschreiben, ist sowieso die Basis für jede Zusammenarbeit weg.

Nun sagt allerdings ein Siegfried Brugger, ehemaliger Obmann und auch jahrelang in Rom tätig, das Argument der Autonomie ist gar nicht so wichtig, wenn man bedenkt, welche Themen hier lokal ganz konkret anstehen.
Ich sehe das nicht so. Die Mehrheit der Italiener hat Lega/Bianchi und Fratelli d'Italia gewählt - sie haben immerhin drei von fünf italienischen Sitzen im Landtag. Wenn man diesen die Tür vor der Nase zuschlägt, dann weiß ich eines ganz sicher: Mit der Autonomie wird nichts weitergehen - und dieselben Leute, die heute die Entscheidung für Rechts kritisieren, werden dann kritisieren, dass mit der Autonomie alles rückwärts gehe. In der Politik ist es eben so: Man kann nicht immer nur Entscheidungen treffen, die allen gefallen. Wir brauchen Kompromisse. Man soll es versuchen - lassen kann man's immer noch.

Herr Zeller, Sie zählen klar zum Kompatscher-Lager, wenn man das so nennen will. Arno Kompatscher ist als Erneuerer angetreten, hat er hier einen Kompromiss zu viel gemacht, hat er ein Stück seiner Liberalität zugunsten eines Pragmatismus abgegeben?
Das glaube ich nicht. Das Regierungsprogramm wird hauptsächlich der Landeshauptmann schreiben. Die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit werden dort sicher stark verankert bleiben - auch mit Fratelli d'Italia. Er ist nun sicher nicht in einer beneideswerten Position. Viele der Leute, die ihn gewählt haben, weil er für ein modernes, offenes und liberales Südtirol steht, sind nach dieser Entscheidung von ihm enttäuscht. Aber man kann nun beweisen, dass die Politik trotzdem modern sein kann - trotz Fratelli d'Italia. Wenn Fratelli d'Italia und auch die Lega das nicht mittragen, dann wird aus dieser Koalition halt auch keine werden - und das wird man bis Weihnachten sehen. So weit kenne ich meine Partei und auch den Landeshauptmann schon, dass hier nicht die Hosen runtergelassen werden. 

Zieht da die Parteibasis mit? Es gibt bereits einen prominenten Austritt, auch andere könnten ihre Parteikarteln noch abgeben, weil man einfach das Prinzip, mit so rechten Parteien zu koalieren, ablehnt.
Wir hatten vor fünf Jahren in etwa dieselbe Situation - damals mit der Lega. Mit der Lega unter Umberto Bossi konnte ich etwas anfangen, mit jener unter Matteo Salvini... da sehe ich nicht große Unterschiede zu den Fratelli d'Italia. Letzthin sind die Fratelli d'Italia, was Europa angeht oder den Ukraine-Krieg, vielleicht sogar weniger problematisch als die Salvini-Lega. Aber wir reden hier von Südtirol, von unseren Werten und das ist die Autonomie. Und wir haben das immer so gehandhabt - und das hat auch Silvius Magnago so gemacht: Wenn es für die Autonomie gut ist, dann machen wir auch einen Pakt mit dem Teufel, wenn's sein muss. Da hatten wir nie Berührungsängste. Man muss auch Courage haben.

Interview: Hannes Peintner