​ Gehler: „Putin und Selenskyj sind kompromisslose Maximalisten“

Der Ukraine-Krieg ist laut Universitätsprofessor Michael Gehler kein Weltkrieg, sondern ein Weltkonflikt. Bei den Friedensverhandlungen setzt er auf die Unterhändler.

Keine drei Wochen nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine hatte der Historiker Michael Gehler auf die globale Dimension dieses Krieges hingewiesen. Seitdem sind fast fünf Monate vergangen und ein Kriegsende ist weiter nicht in Sicht. Vielmehr scheinen sich die Fronten zu verhärten und auch wer in diesem Krieg welche Rolle spielt, scheint sich zunehmend heraus zu kristallisieren.

Gudrun Esser hat den Experten für europäische Geschichte und Kenner des Integrationsprozesses, Michael Gehler erneut um seine Einschätzung gebeten. 

"Vergessen wir nicht: Es gab immer Unterhändler"

„In Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj sehe ich keine Politiker mit Fingerspitzengefühl, sondern kompromisslose, unversöhnliche Maximalisten, die an ihren Maximalzielen unerbittlich festhalten und bei denen ich mir schwer vorstellen kann, dass eine diplomatische Lösung erreicht werden kann. Aber vergessen wir nicht: Es gab immer Unterhändler, die im Geheimen sondiert haben, die die Kanäle offengehalten haben“, spricht Michael Gehler Klartext.
 
Er verweist im Morgengespräch auf das Jahr 1949: Damals sei es zwei Unterhändlern gelungen, die Berlin-Blockade aufzuheben. Gehler schließt ein ähnliches Szenario für die Ukraine nicht aus. Er setzt sozusagen auf die Diplomatie der Unterhändler, denn „Fingerspitzengefühl in der europäischen, US-amerikanischen, ukrainischen und russischen Politik sehe ich nicht in Bezug auf eine De-Eskalation“, so Gehler.

Gehler befürchtet (noch) keine weitere Eskalation 

Der Historiker und Kenner des europäischen Integrationsprozesses Michael Gehler geht aber nicht von einer baldigen Eskalation im Ukraine-Krieg aus. Der Zusammenhalt der EU-Mitgliedsstaaten sei angesichts des stärker werdenden wirtschaftlichen Drucks wichtiger denn je.
 
Zu hoffen sei, dass die Türkei eine erfolgreiche Rolle als Vermittler- so wie im Falle der Getreidelieferungen- ausbauen kann, sagt Michael Gehler.

Das Rai Südtirol-Morgengespräch können Sie in voller Länge nachhören, indem Sie auf den Audio-Button (oben) klicken. 

(joi/ge)