Morgengespräch

"Die iranischen Frauen sind nicht mehr bereit zu Restriktionen"

Shoura Hashemi, iranische Mitarbeiterin im österreichischen Außenministerium, fordert Unterstützung für die im Iran protestierenden Frauen. Am Wochenende hat sie gemeinsam mit anderen Aktivistinnen auf dem Journalismusfest in Innsbruck gesprochen.

Seit Tagen warnen Menschenrechtsorganisationen vor der Vollstreckung mehrerer umstrittener Todesurteile im Iran. Davon bedroht sind unter anderem drei Demonstranten. Ihnen wirft die Justiz die Tötung von Sicherheitskräften während der landesweiten Proteste im November vor. Auslöser der Protestwelle im Herbst war der Tod der jungen iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini. Sie starb Mitte September in Polizeigewahrsam. Seither kommt der Iran nicht zu Ruhe. Treibende Kraft des Protests sind die Frauen. 

“Die Iranerinnen wollen so nicht mehr weitermachen”

“Die Frauen sind die treibende Kraft, weil sie seit 44 Jahren unterdrückt werden, Gewalt erleben, Zwang, Folter und Vergewaltigung. Sie wollen so nicht mehr weitermachen”, sagte die iranisch-österreichische Doppelstaatsbürgerin Shoura Hashemi im Morgengespräch mit Rai Südtirol. Das Interview mit Hashemi ergab sich am Wochenende im Rahmen des Journalismusfestes in Innsbruck, zu dem sie eingeladen worden war. Hashemi unterstützt den Kampf von Wien aus. Sie arbeitet im österreichischen Außenministerium, ist aber immer noch auch iranische Staatsbürgerin, denn Iranerinnen und Iraner dürfen ihre Staatsbürgerschaft nicht zurückgeben. Der Iran akzeptiert das nicht. 

Die Frauen seien im Iran das starke Geschlecht, sagt Hashemi, “und das waren sie immer schon. Es gab schon Anfang des 20. Jahrhunderts Frauenbewegungen, und die Frauen waren die erste Bevölkerungsgruppe, die nach der iranischen Revolution 1979 in Massen auf die Straße ging.”

"Aber sie wissen auch, dass wenn sie geeint sind, das Regime keine Chance hat.”

Shoura Hashemi

Dass die iranischen Frauen vermehrt zu Demonstrationen auf die Straße gehen, obwohl sie grundsätzlich Gewalt ausgesetzt sind, liegt laut Shoura Hashemi daran, dass sie das nicht mehr in Kauf nehmen wollen. “Sie wissen, dass sie wegen der Proteste Verhaftungen riskieren, oder dass ihnen ihr Auto oder ihr Reisepass abgenommen oder ihr Bankkonto gesperrt wird. Aber sie wissen auch, dass wenn sie geeint sind, das Regime keine Chance hat.”

Dieser kollektive Widerstand der Frauen zeige sich auch daran, dass sich immer mehr Iranerinnen dem Kopftuchzwang in der Öffentlichkeit widersetzen und sich ohne Kopftuch zeigen - obwohl das Regime den Zwang brutal durchsetzen wolle.

Aus Solidarität setzen sich Männer Kopftücher auf

“Bei den Protesten erhalten die Frauen auch Unterstützung von den Männern, die ihre Parolen mittragen", erzählt Hashemi. "Und sie setzen sich sogar Kopftücher auf, um zu zeigen, dass sie an der Seite der Frauen sind, und um sich über das Regime lustig zu machen.” 

Die seit acht Monaten anhaltenden Proteste haben laut Hashemi vor allem in den Köpfen etwas erreicht, denn die Frauen sind nicht mehr bereit, Restriktionen hinzunehmen. "Außerdem haben die Proteste samt Beiträgen in den Sozialen Medien und samt internationaler Berichterstattung die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit geweckt, die in den letzten 44 Jahren wenig zu sehen war.  

Für die Zukunft erhofft sich Hashemi mehr politische Unterstützung: “Zusätzliche Wirtschaftssanktionen könnten das Regime weiter unter Druck bringen. Und dabei könnte Europa eine große Rolle spielen.”