Pandemie

Indien mobilisert jetzt die Armee

Totales Chaos in Indien: Jetzt wird auch die Armee eingesetzt. Die Behörden melden den fünften Tag in Folge einen Infektions-Rekord.

Indien mobilisert jetzt die Armee
Ansa
Im Kampf gegen eine immer schneller wachsende Corona-Welle ruft Indien die Armee zu Hilfe. Generalstabschef Bipin Rawat kündigte die Entsendung von militärischem Personal im Ruhestand in die Kliniken an. Zudem würden Sauerstoffvorräte aus den Armeereserven freigegeben.

Es werde "Himmel und Erde" in Bewegung gesetzt, twitterte Gesundheitsminister Harsh Vardhan. Zuvor gaben die Behörden den fünften Tag in Folge einen Rekord bei Neuinfektionen bekannt.

Neuer trauriger Rekord

Indien meldete am Montag mit 352.991 Neuinfektionen den fünften Tag in Folge einen weltweiten Höchstwert. Kliniken sind überlastet, und der Sauerstoff zur Behandlung von Covid-19-Patienten wird knapp.

Der südindische Bundesstaat Karnataka mit dem Technologie- und Outsourcing-Zentrum Bangalore verhängt ab heute Dienstag einen Lockdown, um das Virus einzudämmen.

Weltweite Hilfe

Die Lage in Indien sei "jenseits von herzzerreißend", erklärte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) tue alles, womit sie helfen könne, einschließlich der Lieferung von Feldlazaretten und Laborausrüstung. Die USA wollen Rohstoffe für Corona-Impfstoffe, Beatmungsgeräte, Schnelltests und Schutzkleidung bereitstellen.

Frankreich kündigte Lieferungen von flüssigem Sauerstoff und acht Anlagen zur Sauerstoffgewinnung für die kommenden Tage an. Russischen Medien zufolge soll am Samstag eine erste Lieferung des Sputnik-V-Impfstoffes in Indien ankommen.

Indien bat die Europäische Union nach deren Angaben um medizinischen Sauerstoff und Medikamente, insbesondere Remdesivir zur Behandlung von Covid-19.

"Die Corona-Katastrophe in Indien ist eine Erinnerung, dass wir das Virus weiterhin nicht unterschätzen dürfen", sagte Walter Hajek, Leiter des Bereichs Einsatz und Internationale Zusammenarbeit beim österreichischen Roten Kreuz.

"Was wir sehen sind traurige Rekorde an Infizierten und Toten in Südasien, auch in Pakistan und Bangladesch. Das zeigt wie wichtig ein Zugang zu Impfungen, Masken und im Endeffekt zu einer Gesundheitsversorgung für alle ist."

Problemfall: Armut

In Indien leben 21,9 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Das Zentrum des erneuten Ausbruchs ist der Staat Maharastra, berichtete Hajek.

Mit den unzähligen Arbeitsmigranten und Tagelöhnern, die von der besonders betroffenen Metropole Mumbai zurück aufs Land strömen, könnte sich die Ausbreitung des Virus noch verstärken.

Viele Kliniken in Indien werden des Ansturms nicht mehr Herr und weisen Patienten aus Mangel an Betten, Ausrüstung und Medikamenten ab. Selbst Bahren, um die Toten wegzubringen, wurden knapp.

In stark betroffenen Städten wie der Hauptstadt Neu-Delhi wurden die Leichen in provisorischen Krematorien verbrannt.

Indien mit einer Bevölkerung von 1,3 Milliarden Menschen hat bisher 17,31 Millionen Infektionen und 195.123 Tote verzeichnet. Gesundheitsexperten gehen aber davon aus, dass die Dunkelziffer bei den Toten weitaus höher ist.

Die unbekannte Mutation

Hintergrund der stark steigenden Corona-Infektionszahlen ist eine besonders ansteckende Virus-Mutante, die in Indien entdeckt wurde. Experten befürchten bei einem anhaltenden Trend, dass die Krankenhäuser in einer Woche überlastet seien und es dann kaum noch freie Betten für Covid-19-Patienten geben werde.

Neben der Mutante könnten auch religiöse und politische Massenveranstaltungen zur Verbreitung des Virus in Indien beitragen.

Die Regierung von Ministerpräsident Narendra Modi hatte sie zugelassen, obwohl die Infektionszahlen in der zweiten Welle wieder stiegen.

Derzeit finden in Indien auch Gemeindewahlen statt. Allein am Montag sind 8,6 Millionen Wahlberechtigte in Westbengalen im Osten des Landes aufgefordert, ihre Stimme abzugeben.

cb/apa