Lehrkräfte fordern mehr Hilfe an Brennpunktschulen

Zwei Lehrkräfte sprechen anonym über die untragbare Situation an manchen Südtiroler Mittelschulen. Brennpunktschulen bräuchten eigene Schulpsychologen und Sozialpädagogen.

Zwei Lehrkräfte sprechen anonym über die untragbare Situation an manchen Südtiroler Mittelschulen. Brennpunktschulen bräuchten eigene Schulpsychologen und Sozialpädagogen, so ihre Forderung.

Ein Mittelschüler in Meran wird vom Mitschüler mit dem Messer bedroht, wenige Tage später wird ein Junge im Bus von Gleichaltrigen verprügelt. Sie erinnern sich vielleicht an die beiden Vorfälle, der im März für Schlagzeilen und in Folge für Gesprächsstoff sorgten. Viele Probleme, die sich täglich an Südtirols Schulen abspielen, dringen nicht nach Außen: Schülerinnen, die sexueller Gewalt ausgesetzt sind oder vernachlässigt werden, Mittelschüler, die unter Angstzuständen leiden und im Klassenzimmer einnässen, 12-Jährige mit Selbstmordgedanken.

Bereits Anfang Mai machten über eintausend Lehrpersonen mit der Petition: Schule in Not auf zahlreiche Missstände aufmerksam. So kann es nicht mehr weitergehen, sagen jetzt auch zwei Lehrpersonen. Offiziell dürfen sie nicht über die Probleme sprechen, denen sie im Schulalltag begegnen. Weil sie die Probleme trotzdem öffentlich machen wollen, haben sie ein anonymes Interview gegeben.

„Der Druck auf uns Lehrpersonen wird immer größer. Wenn ich an mein Studium zurückdenke, dann muss ich sagen, dass der Schulalltag nichts mehr mit dem zu tun hat, was ich während meiner fünfjährigen Ausbildung gelernt habe. Ich bin mit Dingen beschäftigt, die nichts mehr mit meiner Lehrtätigkeit zu tun haben“, sagt der erfahrene Mittelschullehrer.

Die Wissensvermittlung kommt zu kurz 

Die Kriterien für die Zuweisung von Integrationspersonal seien vom Schulamt nach oben geschraubt worden, beobachtet die Lehrerin: “Kinder, die Integration bräuchten, sitzen dann allein da und es ist für die restliche Klasse nicht mehr möglich etwas vom Unterricht mitzubekommen, weil sich meine ganze Aufmerksamkeit auf einen Schüler konzentriert. Da kannst du nicht unterrichten.“

Mittelschullehrer: „An meiner Schule kommen wir nicht mehr hinterher, den Kindern Hilfe zu organisieren, weil es zu viele sind. Die Hilfe, die wir anfordern, wird entweder von der Schuldirektion nicht weitergeleitet oder sie ist schlecht organisiert.“

Zusätzliche Hilfen für Brennpunktschulen 
 

Weil es für Schulpsychologen und Sozialdienste monatelange Warteizeiten gibt, fordern die beiden Schulkräfte zusätzliche Hilfen für Brennpunktschulen.

„Das Gießkannen-Prinzip finde ich falsch. Die Qualität des Systems kann ich nicht an den Schulen messen, an denen es keine auffälligen Kinder gibt. Die Schulen, an denen viele Probleme auftreten, sollten der Gradmesser sein. Dort braucht es Schulpsychologen, Logopäden, Sprachenlehrer, Sozialpädagogen, und zwar direkt an der Schule und ständig“, so die Forderung des Lehrers an das Schulamt.

Seine Kollegin wünscht sich Arbeitstische, an denen nicht die Schulführungskräfte, sondern die betroffenen Lehrkräfte teilnehmen: „Das Schulamt muss aufhören, sich selbst an einen Tisch zu setzen. Es nützt auch nichts, wenn nur Schulführungskräfte eingeladen werden, sie kennen den Alltag im Klassenzimmer nicht. Das Schulamt muss die Menschen anhören, die täglich mit den Kindern arbeiten.“

Nur wenn Härtefälle schnell und professionell aufgefangen werden, könne an Brennpunktschulen wieder normaler Unterricht stattfinden, erklärten die Lehrkräfte im Morgengespräch auf Rai Südtirol. (Das Interview wurde nachgestellt.) Ohne zusätzliche Maßnahmen, werden erfahrene Lehrpersonen den Brennpunktschulen langfristig den Rücken kehren, warnen die beiden Interviewpartner.